Regionales Saat- und Pflanzgut
Grundlagen und Anwendungshilfen für die naturnahe Begrünung von Flächen in Thüringen
Als Gefährdungsfaktor für die biologische Vielfalt spielt die Verdrängung der einheimischen Arten durch invasive gebietsfremde Arten weltweit eine immer größere Rolle. Auch in kleinerem geografischem Rahmen gefährdet der Mensch durch sein Handeln die biologische Vielfalt. Der große Einfluss der Landnutzung ist weithin bekannt. Andere Faktoren sind dagegen nicht ganz so offensichtlich. So birgt die Verwendung von nichteinheimischen Saat- und Pflanzgut in der freien Landschaft z. B. zur Begrünung von Straßenböschungen erhebliche Risiken für unsere Pflanzen- und Tierwelt. Neben der fehlenden Angepasstheit an die vorhandenen Standortbedingungen ist dies vor allem die Gefahr der direkten oder indirekten Verdrängung der heimischen Arten. Direkt z. B. durch das Besetzen von ökologischen Nischen, indirekt durch die Kreuzung mit verwandten Sippen. Viele der Ausbringungen von nichteinheimischen Saat- und Pflanzgut waren ja sogar als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme für den z. B. durch Baumaßnahmen bedingten Schaden an der Natur gedacht. Es besteht hier also dringender Handlungsbedarf. Diesem wurde bei der Novellierung des zum 1. März 2010 in Kraft getretenen Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) Rechnung getragen (§ 40). Darin wurde die Verwendung von nichteinheimischen Saat- und Pflanzgut in der freien Landschaft außerhalb von Land- und Forstwirtschaft explizit unter Genehmigungsvorbehalt gestellt. Zwar wurde für die Umsetzung noch eine Übergangsfrist festgesetzt, doch läuft diese am 01.03.2020 aus.
Vor allem für die Begrünung von offenen Flächen in der freien Landschaft, wie sie z. B. bei umfangreichen Baumaßnahmen anfallen, ist dies von großer Bedeutung. Meist wurde bisher entweder auf Regelsaatgutmischungen (RSM) oder auf Saatgut zurückgegriffen, welches in anderen europäischen Ländern oder gar fernab gelegenen Teilen der Welt erzeugt wurde. Dabei wurden vielfach fremde Genotypen aber auch völlig gebietsfremde Arten in unsere heimische Landschaft eingebracht.
Um den Anwendern Möglichkeiten des Ersatzes dieser Vorgehensweise anzubieten, werden in Thüringen seit einigen Jahren schrittweise die dafür erforderlichen naturschutzfachlichen Grundlagen geschaffen. Nach der Gliederung Thüringens in Gebiete mit ähnlichem Pflanzenbestand (Westhus & Korsch 2005) erfolgte der Aufbau der Grundlagen eines Spenderflächenkatasters zur Gewinnung gebietseigenen Grünlandsaatguts (Korsch 2008, Kirmer & Korsch 2009).
Artenfilter
Der Artenfilter ist ein von Prasse et al. (2010) entwickeltes Verfahren um für einzelne Herkunftsregionen die Pflanzenarten zu ermitteln, die dort für die Verwendung als Regiosaatgut geeignet sind.
Aus naturschutzfachlicher Sicht dient der Artenfilter zur Erstellung von Saatgutmischungen geeigneter Grünlandarten für die einzelnen Ursprungsgebiete. Er ist eine Entscheidungshilfe bei der Auswahl der zur Samenproduktion zu verwendenden Arten durch die Saatgutfirmen. Ziel des Artenfilters ist, für Begrünungen in der freien Landschaft einen regionalisierten Mindeststandard vorzugeben.
Durch den Einsatz des Artenfilters werden spezielle Planungen, z. B. für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Eingriffen im Offenlandbereich, entscheidend erleichtert. Dem Planer wird ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das eine naturschutzfachlich fundierte Artenauswahl bei der Erstellung von standortgerechten Saatgutmischungen ermöglicht.
Zur Umsetzung der oben genannten Ziele wurden durch Korsch (2009) sogenannte Rahmenlisten für autochthones Grünland-Saatgut entwickelt. Da alle in Thüringen vorhandenen Ursprungsgebiete über die Landesgrenze hinausragen, wird jetzt aber auf das 2010 im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projektes entwickelte deutschlandweite Auswahlsystem, den Artenfilter verwiesen.
Literatur
Hiekel, W., F. Fritzlar, A. Nöllert & W. Westhus (2004): Die Naturräume Thüringens. Naturschutzreport 21. 384 S.
Hiller, A. & E. Hacker (2001): Ingenieurbiologie und die Vermeidung von Florenverfälschungen -Lösungsansätze zur Entwicklung von Regiosaatgut. Mitteilungen der Gesellschaft für Ingenieurbiologie 18: 16-42
Jäger, E. J. & K. Werner (2005): Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Kritischer Band. 980 S.
Kirmer, A. & H. Korsch (2009): Spenderflächenkataster zur Gewinnung von autochthonem Grünland-Saatgut für Thüringen – Methodik, Stand und Perspektiven. Hrsg. Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie. 92 S.
Korsch, H. (2008): Erstellung eines Spenderflächenkatasters zur Gewinnung autochthonen Grünland-Samenmaterials für Thüringen. Arbeit im Auftrag der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie Jena
Korsch, H. (2009): Erstellung von Rahmenlisten zur Gewinnung autochthonen Grünland-Samenmaterials für Thüringen. Arbeit im Auftrag der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie Jena
Prasse, R., D. Kunzmann & R. Schröder (2010): Entwicklung und praktische Umsetzung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen an einen Herkunftsnachweis für gebietseigenes Wildpflanzensaatgut krautiger Pflanzen. Projekt-Abschlussbericht Deutsche Bundesstiftung Umwelt. 168 S.
Seitz, B. & I. Kowarik (2003): Perspektiven für die Verwendung gebietseigener Gehölze. Neobiota 2: 3-26
Westhus, W. & H. Korsch (2005): Empfehlungen für die Nutzung von Grünland-Saatgut gebietseigener Herkünfte - ein Beitrag zur Sicherung der biologischen Vielfalt. Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 42 (2): 62-69
Links & Downloads
Informationen zum Spenderflächenkataster
- Spenderflächenkataster Thüringen Erhebungsbogen Spenderflächenkataster
- Hinweise zum Erhebungsbogen Spenderflächenkataster
- Informationsbroschüre Spenderflächenkataster
- Literaturverzeichnis der Informationsbroschüre Spenderflächenkataster